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18.06.2014 22:43 Alter: 10 yrs
Kategorie: Pädagogik

Physik-Lernwerkstatt zum Thema „Federpendel“


Erfahrungsbericht über eine etwas andere Art der Lernzielkontrolle

Für das grundlegende Verständnis von Schwingungsphänomenen in der Natur bilden die im Physik-Unterricht in der 6ten Klasse diskutierten Versuche zum Faden- und Federpendel. Sie sind einfache Beispiele, anhand derer sich Größen wie Amplitude und Frequenz gut veranschaulichen lassen. Von Vorteil ist, dass parallel im Mathematik-Unterricht die Winkelfunktionen (Sinus und Cosinus) besprochen werden. In der Regel lässt sich mit diesem Grundverständnis im Unterricht dann leichter auf komplexere Phänomene wie die Kopplung, Resonanz, und Überlagerung von Schwingungen überleiten.

Es gibt dabei eine Vielzahl von Beispielen, mit denen die Neugierde der Schüler für das Thema geweckt werden kann. Da ist zum einen die Kathe­drale von Santiago de Compostela in Spanien mit ihrem schwingenden Weihrauchfass (Botafumeiro“), das durch seine atemberaubende Pendelbewegung die Kirchen­besucher jedes Mal aufs Neue in ihren Bann zieht. Und die Hängebrücke von Tacoma in den USA, die 1940 während eines Sturmes zu Torsionsschwingungen angeregt wurde, bis sie letztendlich in der Mitte entzwei brach. Und natürlich die Frage, wie sich das Gewicht von Astronauten bestimmen lässt, die in der Weltraumstation doch eigentlich „schwerelos“ sein müssten. Sie können sich nicht einfach auf eine Waage stellen und das Gewicht ablesen. Spätestens jetzt wird dem Schüler nochmals der Unterschied zwischen Gewicht und Masse gewahr. Stattdessen werden die Astronauten zur Gewichtsbestimmung in einem federgelagerten Sitz „in Schwingung versetzt“ (dynamische Messung). Auf der Erde dagegen brauchen wir uns nur ins benachbarte Reichenfeld zu begeben, um Schwingungsbewegungen z.B. die der spielenden Kinder auf der Schaukel betrachten (und berechnen) zu können. Das Verständnis von Schwingungen und Wellen gehört zu den Grundkompetenzen, denen sich Schüler in ihrer Schullaufbahn im Physikunterricht stellen müssen.

 

Bestens gewappnet mit einer Lernzielkontrolle zur Überprüfung dieser Grundkompetenzen in der Art, wie Schüler sie gewohnt sind, war ich auf dem Weg zur Schule. Ich hatte noch etwas Zeit im Zug zwischen Van­dans und Feldkirch, so dass ich den Ablauf des Tages in Gedanken durchging. Ich entschloss mich dann (recht kurzfristig), al­les Vorbereitete über Bord zu werfen und die Überprüfung heute mal etwas anders zu gestalten. Warum die Schüler in der Lern­ziel­kontrolle nicht mal etwas tüfteln lassen? Warum sie nicht mal mit einer Fragestellung konfrontieren, die sie in Kleingruppen bearbeiten müssen, und ihnen die Freiheit geben, alles einzubeziehen, was ihnen in der Klasse als Hilfsmittel in die Hände fällt (einschließlich Physik-Buch, Mitschrift, Taschenrechner, Computer und auch Handy)?

So wurden die Schüler im Rahmen der Lernzielkontrolle mit einer Vielzahl von Utensilien, Gewichten, Federn, Maßbändern, Waagen, Stoppuhren, einer Schlittenbahn und allem, was sonst noch in der Klasse vorhanden war, ausgestattet. Alles konnte verwendet werden, alles konnte für Recherchearbeiten genutzt werden. Der Arbeitsauftrag lautete dann:

(1) Einzelarbeit: Vor Dir liegen verschiedene Gewichte, Federn, eine Waage, Referenzgewichte und ein Maßband. Welche Möglichkeiten kennst Du, um die Masse eines Körpers zu bestimmen ohne dieses auf die Waage zu legen? Beschreibe mindestens zwei Verfahren inkl. Skizze und Formel.

(2) Gruppenarbeit: Bildet 2er-Gruppen, wählt einen Körper aus und bestimmt deren Masse auf eine der unter Punkt 1 beschriebenen Arten. Alle Gegenstände dürfen dabei auf die Waage gelegt werden nur nicht der Gegenstand, dessen Gewicht ermittelt werden soll.“

Die Schüler waren zunächst sehr verunsichert, da sie so etwas bei einer Lernzielkontrolle nicht erwartet hatten. Auf etwas anderes eingestellt sahen sie sich vielleicht auch um ihre Mühen während der Vorbereitung betrogen. Sie fanden sich dann aber sehr schnell zurecht und gingen mit Eifer an den Arbeitsauftrag. Alle kamen zu Lösungen jeder auf seinem eigenen Weg. Rückblickend war diese Vorgehensweise aus meiner Sicht erfolgreich, was mir durch das nachträgliche Feedback der Schüler bestätigt wurde. Ich habe diesen Arbeitsauftrag in zwei weiteren 6.ten Klassen im Physik-Unterricht durchgeführt mit ähnlich positivem Verlauf. Schüler und Lehrer warten schon gespannt auf die nächste Lernzielkontrolle, die als Lernwerkstatt gestaltet wird.

Winfried Brüser

…Impressionen...

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