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26.02.2024 15:48 Alter: 61 days

„Wir stehen vor den Trümmern beider Gesellschaften!“


„Gaza – Der Krieg und wie wir die Debatte hier entgiften können“, so lautete der Titel einer Veranstaltung, die die Ethikgruppe der 8m kürzlich im Spielboden in Dornbirn besuchte. Die Podiumsdiskussion beschäftigte sich mit dem Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, dessen Vorgeschichte und dessen Folgen.

Unter Leitung des Vorarlberger Politologen Thomas Schmidinger diskutierten Hanno Loewy (Leiter des Jüdischen Museums in Hohenems), Viola Raheb (palästinensische Theologin) und David Pichler (Journalist und Seenotretter).

Versagen der internationalen Staatengemeinschaft

Während Hanno Loewy eingangs konstatierte, dass die internationale Politik Israel die rote Linie nun klar gemacht habe, vertrat Viola Raheb die Meinung, dass es seit vielen Jahren ein generelles Versagen der internationalen Staatengemeinschaft gebe. Es habe Angriffe in der Westbank gegeben, Dörfer seien angezündet worden, auch international sei bekannt gewesen, dass es zu einer Eskalation kommen werde – keiner habe jedoch gewusst, wann, wo und wie.

Viola Raheb: „Wir stehen vor den Trümmern für beide Gesellschaften. Und mitten in den Trümmern sind jene Menschen, die … seit Jahrzehnten versuchen, eine Vision herbeizuführen, dass die Würde aller jenseits aller Grenzen gewahrt werden muss. Und die wurden immer torpediert und die sind heute eigentlich selbst zu Trümmern geworden.“

Gewalt an Zivilisten könne niemals gutgeheißen werden. „Die größte Herausforderung im Prozess der Befreiung ist, selbst nicht zu einem Unterdrücker zu werden oder gleiche Mittel zu verwenden“, meint Viola Raheb in Anlehnung an den bekannten brasilianischen Pädagogen Paolo Freire.

Der globale Süden wird sich auf den Weg machen

Der Journalist und Aktivist der Seenotrettung, David Pichler, betonte die Mitschuld der westlichen Gesellschaft. Es habe immer nur „Zwischenlösungen“ gegeben. Ein lösungsorientierter Ansatz im Sinne einer Koexistenz sei notwendig. Die Menschen im Gaza-Streifen würden unter einer kompletten Perspektivlosigkeit leiden. Sehr viele Palästinenser seien jetzt schon „am Wasser in Griechenland“, es werde zu Flüchtlingsströmen kommen. Der Nahe Osten werde außerdem als eine der ersten Regionen und gleichzeitig massiv vom Klimawandel betroffen sein. 

Verhärtung der Fronten auch in Österreich

Moderator Thomas Schmidinger stellte abschließend den öffentlichen Diskurs in Österreich zur Diskussion. Die gedachte oder reale Nähe zu den Konfliktpartnern und die jeweilige Solidarisierung führe zu einer deutlichen Verhärtung innerhalb der Communities, auch in der Mehrheitsgesellschaft würden sich Fronten auftun. Rassismus gegen Muslime und Antisemitismus seien stark präsent. Der Nahe Osten diene oft als Projektionsfläche für die eigene Ideologie.

Es gibt nur eine Lösung!

Hanno Loewy führte diesbezüglich weiter aus, dass es ein Bild in der Öffentlichkeit gebe, dass die politisch links Stehenden sich auf die Seite der Palästinenser stellen würden, der Mainstream und die Politik hingegen auf die Seite Israels. In Wirklichkeit sei die Sache komplizierter, und zwar auf allen Seiten. „Es gibt keine andere Lösung, als miteinander zurechtzukommen!“, meint Viola Raheb abschließend.

Wir haben uns im Ethikunterricht auf die Podiumsdiskussion vorbereitet und durften mit Thomas Schmidinger ein Interview führen. Besonders beschäftigt hat uns im Vorfeld die Frage, was wir konkret hier in Vorarlberg gegen den Krieg unternehmen können.

Ein großes Dankeschön an den Spielboden für den vergünstigten Eintritt und das Audio-File der Veranstaltung sowie an Thomas Schmidinger und Hanno Loewy – aus Zeitgründen konnten wir ihn bei der Veranstaltung leider nicht mehr interviewen. Wir werden dies in den nächsten Tagen nachholen. 

Das Interview mit Thomas Schmidinger führten: Maximilian Halbeisen, Anna Kicker, Viktoria Ganahl, Matteo Weinhandl

 

https://www.violaraheb.net/
https://www.jm-hohenems.at/
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Schmidinger