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20.12.2016 08:00 Alter: 7 yrs

Thomas Heißbauer zu Besuch im GYS

Wahlpflichtfach Kulturmanagement und Wahlpflichtfach Kulturvermittlung treffen den Geschäftsführer des Symphonieorchesters Vorarlberg.


Das Gymnasium Schillerstraße unterhält seit mehr als zwei Jahren eine „Double Check“-Kulturpartnerschaft mit dem neuen Montforthaus. In diesem Zusammenhang ergeben sich immer wieder schöne gemeinsame Kulturprojekte. Vor allem die Zusammenarbeit mit dem Symphonieorchester Vorarlberg (www.sov.at) ist für die Schule sehr inspirierend. Für die Unterstufe werden von der Schlagzeugerin Anna Schuchter Workshops angeboten, außerdem stehen Probenbesuche auf dem Programm und für das Musikgymnasium sind auch Gespräche mit Dirigenten und ProfimusikerInnen geplant.

Ein besonders schönes Erlebnis war aber die Begegnung der Wahlplfichtfächer Kulturmanagement und Kulturvermittlung mit dem Geschäftsführer des Symphonieorchesters Vorarlberg, Thomas Heißbauer, mit dem die SchülerInnen folgendes Interview über Organisation Finanzierung und Musikvermittlung geführt haben ...

Frauke Kühn & Sabine Benzer

 

Herr Heißbauer, erzählen Sie uns ein bisschen über sich?

Ich war Profimusiker, Hornist in einem Orchester in Salzburg, und habe dann 2013 die Geschäftsführung des Symphonieorchesters Vorarlberg übernommen. Davor war ich für Orchesterdisposition und Projektmanagement für kulturelle Bildung beim Mozarteumorchester in Salzburg verantwortlich. Ich habe ein Studium an der FH Kufstein für Sport- und Kulturmanagement absolviert und war als Marathonläufer unterwegs.

Würden Sie uns bitte ein paar Informationen zum Orchester geben?

Das SOV hat im letzten Jahr sein 30-jähriges Jubiläum gefeiert. Es hat 120 MusikerInnen und über 1900 Abonnenten, die regelmäßig die Konzerte besuchen. Das Budget von 2017 liegt bei über 1,7 Millionen Euro. Die einzelnen Produktionen sind sehr kostenintensiv und schlagen oft mit über Euro 100.000.- zu Buche. Das Orchester ist als Verein organisiert, die Musiker auf Werkvertragsbasis engagiert. Ich hafte persönlich für die Budgetgebahrung.

Wer sitzt denn im Vorstand des Vereins?

Es sind Personen des öffentlichen Lebens, aus Wirtschaft und Politik: Unser Präsident ist Dr. Manfred Schnetzer, unsere Vizepräsidenten Dr. Magnus Brunner und Dr. Wolfgang Burtscher. Außerdem sind zwei bis vier VertreterInnen des Orchesters im Vorstand.

Ist es nicht besonders wichtig, dass man als Vorstandmitglied auch Musiker ist?

Nicht unbedingt, aber man muss „brennen“ für die Sache, für das Symphonieorchester und seine Musik. Der Vorstand ist nicht für das operative Geschehen rund um das Orchester verantwortlich. Für die fachlichen Aufgaben bin ich zuständig.

Was passiert im Bereich Musikvermittlung beim SOV?

Musikvermittlung beim SOV hat sich vor meiner Zeit beim Orchester auf einzelne Projekte beschränkt. Es gab aber keine wirkliche Strategie dazu: Mal waren punktuelle, mal sich ständig wiederholende Projekte.

Ich versuche, die Musikvermittlung des SOV auf zwei Schienen zu bringen: Einmal ist die Zusammenarbeit mit Schulen sehr wichtig. Dazu haben wir längerfristige Kooperationen, sogenannte „Partnerschulen“ entwickelt. Wir haben mit der Sportmittelschule in Hohenems gearbeitet und ihnen in diesem Rahmen Workshops und Konzertbesuche angeboten. Es geht vor allem um die Erarbeitung eines „Werkes“ und das soll möglichst partizipativ geschehen, also kein Vortrag sein, sondern miteinander erarbeitet werden. Es gibt bei uns mit Anna Schuchter eine Schlagzeugerin, die diese Workshops konzipiert und auch abhält. Die Rückmeldungen dazu sind alle sehr positiv.

Was ist denn Ihr Verständnis von Musikvermittlung?

Wesentlich scheinen mir drei Punkte: Sie muss altersgerecht sein, Partizipation ermöglichen und das Orchester als Gesamtheit vermitteln. Es geht darum, das Orchester in seiner ganzen „Wucht“, als großen Klangkörper zu vermitteln. Aus diesem Grund sind die Probenbesuche besonders wichtig.

Gibt es weitere Formate der Kulturvermittlung in Ihrem Orchester?

Ja, es existiert noch eine zweite Schiene, neben der Zusammenarbeit mit Schulen: Pro Saison wird eigens eine Produktion für Kinder und Jugendliche umgesetzt. Sie soll altersgerecht und partizipativ sein. In der letzten Saison haben wir „Kommissarin Flunke“ für Kinder von 9 bis 13 Jahren produziert. In diesem Jahr gibt es eine Zusammenarbeit des SOV mit dem „walktanztheater“, mit Brigitte Walk, die mit SchülerInnen und Lehrlingen zur Musik von Alfred Schnittke, einem zeitgenössischen russischen Komponisten, eine Tanzchoreographie macht. Die Herangehensweise ist ähnlich wie beim berühmten Kulturvermittlungsprojekt „Rhytm is it“ der Berliner Philharmoniker unter Dirigent Simon Rattle und dem Tanzchoreographen Royston Maldoom. Die Aufführungen werden im Mai 2017 im Festspielhaus zu sehen sein. Ich bin schon sehr neugierig, welche Ideen entstehen und umgesetzt werden.

Nun versuchen Sie mit dem Gymnasium Schillerstraße eine „Partnerschaft“ aufzubauen. Diese Veranstaltung mit den SchülerInnen der Wahlpflichtfächer ist ein Auftakt dazu. Was haben Sie in diesem Rahmen vor?

Wir planen Probenbesuche für die SchülerInnen der Oberstufe sowie Konzertbesuche. Es ist einfach etwas ganz besonderes, ein so großes Orchester zu erleben. Außerdem sollen den SchülerInnen des Musikgymnasiums auch Gespräche mit SolistInnen und DirigentInnen ermöglicht werden. Für die Unterstufe gibt es ebenfalls Workshops und Probenbesuche.

Sie haben Ihre Diplomarbeit über Musikvermittlung geschrieben. Was sind Ihre Erkenntnisse?

Es ging darin um Musikvermittlung für Erwachsene, um Nutzungspotentiale von Vermittlung für Musikinstitutionen im Sinne des „Audience Developement“, ein Begriff aus dem angloamerikanischen Raum, der „Kundenbindung“ meint.

Die Orchesterstrukturen sind allerdings in den USA anders als bei uns, wo die Trägerschaften der Orchester bei Kommunen, Ländern oder dem Bund liegen. Diese sind auch ihre Geldgeber. Hierzulande kommen 70 bis 80% der benötigten Mittel von der öffentlichen Hand. Ein Teil muss dann aber noch über Einnahmen und Sponsorengelder lukriert werden. In den USA beträgt der Anteil der öffentlichen Mittel sogar nur 20%, allerdings verfügen sie dort über die Tradition des „Mäzenatentum“, reiche Leute spenden Geld, ohne dafür eine werbliche Gegenleistung zu erwarten.

Würden Sie uns noch was über das „Audience Developement“ erzählen?

Es geht dabei um „Kundenbindung“, um das Publikum, um Instrumente sie anzusprechen, zu begeistern. Aber es geht auch um finanzielle Unterstützung. Diese Form der Geldbeschaffung ist sehr personalintensiv. Jemand, der eine Million spendet, der will natürlich auch gut betreut sein. In den USA sind große Marketingabteilungen damit beschäftigt. Aber auch in Österreich steht im Regierungsprogramm geschrieben, dass der Kulturbereich versuchen sollte, vermehrt privates Geld zu beschaffen.

Wie viel Prozent benötigt denn das SOV an öffentlichen Geldern?

Die Eigenwirtschaftlichkeit des SOV liegt bei ca. 67%. Bei anderen österreichischen Orchestern ist diese in der Regel aber viel niedriger, bei 20 bis 30%. Das SOV hat keine Mäzene, aber Sponsoren, mit denen wir zum Teil mehrjährige Kooperationsverträge unterhalten und die einen wesentlichen Beitrag zum Jahresbudget leisten. Der Hauptsponsor des SOV ist die Volksbank Vorarlberg, außerdem das Energienetzwerk Vorarlberg. Nun wird aber auch ein neues Konzept überlegt, hin zum Sponsoring einzelner Projekte und Konzerte.

Wie haben Sie ihre Diplomarbeit zum Thema Musikvermittlung umgesetzt?

Ich habe Expertengespräche mit den Geschäftsführern von sieben führenden Orchestern in Europa geführt und sie zu drei Punkten befragt: Zur Musikvermittlung für Erwachsene in ihren Orchestern, zur Bedeutung von „Audience Developement“ für sie und zu ihrer Einschätzung meines eigens entwickelten Musikvermittlungstools.

Wie dürfen wir uns dieses Musikvermittlungstool vorstellen?

ZuhörerInnen sollen auf ein Musikstück reagieren: In der ersten Runde nennen sie Adjektive, die für sie dieser Musik entsprechen. Dabei gibt es keine „falschen“ Adjektive, weil jeder Zuhörer, jede Zuhörerin Musik mit anderen Emotionen und Bildern verbindet.

In der zweiten Runde geht es dann darum, Bilder zu beschreiben und in der dritten Runde soll ein Film erzählt werden. Das Feedback auf die Musik wird also immer komplexer gefasst und die Eindrücke vielfältiger ausgebreitet.

Gibt es auch einen „Freundeskreis“ des SOV?

Die Mitglieder des Vereins bilden den Freundeskreis des SOV. Die Musiker selbst dürfen aber laut Statuten nicht Mitglied im Verein sein. Das hat sich so aus der Gründungsgeschichte ergeben, an der die Städte Feldkirch, Dornbirn und Bregenz beteiligt waren.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Mag. Thomas Heißbauer, M. A., Salzburger Kulturmanager und ehemalige Profimusiker

Thomas Heißbauer wendet sich an die SchülerInnen der beiden WPF mit dem Wunsch, dass diese, in Bezug auf die Produktion des SOV mit dem walktanztheater, mögliche Vorschläge für Vermittlung und Bewerbung entwickeln. Er denke dabei vor allem an den Social Media Bereich.